(An O. H.)
Wir fassen uns voll Inbrunst
an den Händen,
Wir lassen Aug’ in Auge
freundlich hangen,
Und doch durchbebt mich stets
ein trostlos Bangen,
Daß unsre Herzen nie sich ganz
verständen.
Denn von des Leibes dunklen
Kerkerwänden
Liegt unsre Seel’ umschlossen
und umfangen.
Kein Blick von Außen kann zu
ihr gelangen,
Sie ist allein, bis Leib und
Leben enden.
Nur tiefe Seufzer, klagend
leises Weinen
Verraten ihr, daß rings an
gleichem Orte
In gleicher Qual verlaßne
Seelen trauern.
Da rufen sie wohl durch des
Kerkers Mauern
Sich freundlich zu und
tauschen Liebesworte:
Sie schaun sich nie, -
verstehn sie, was sie meinen?
Du warst mir untreu, - doch
der Tod macht’s gleich.
Der Sehnsucht weicht mein
Groll, der schmerzenslinden.
Weil ich dich liebt’, möcht’
ich dich wiederfinden:
Woran erkenn’ ich dich im
Himmelreich?
Die süßen Augen, dunklen
Perlen gleich,
Die längst der Tod in Ewigkeit
erblinden,
Die Stimme, die Gestalt, sie
müssen schwinden:
Woran erkenn’ ich dich im
Himmelreich?
Im Grabe ruht auf
Nimmerwiederkehr
Die Hülle, der die Seele sich
entzogen.
Nur sie entflieht zum Himmel,
odemgleich.
Von deiner Seele – ach! – weiß
ich nicht mehr,
Als daß ich mich so ganz in
ihr betrogen:
Woran erkenn’ ich dich im
Himmelreich?
Vortret ich auf des Veitsdoms
Thurmaltan:
Da liegt die Königsstadt, von
Dunst umzogen,
Das alte, dunkle Prag! In
weitem Bogen
Durchbricht’s der Moldau
vielgespaltne Bahn.
Zahllose Thürme ragen
himmelan,
Wie Klippen aus den schwarzen
Häuserwogen.
Ein Bild, vom Hauch des
Sterbens überflogen,
Faßt es mit düstrem Graun die
Seele an.
Auch diese Menschen, einer
todten Zeit
Gehören sie mit ihren müden
Zügen,
Im Mund ein alt und wunderlich
Gebet.
Jetzt schlagen alle Glocken,
nah und weit,
Zur Mittagsstunde: traun! mir
ist, als schlügen
Auch sie um vier Jahrhunderte
zu spät.